RW 37

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Der kleinbürgerliche Begriff "Queer" verwischt die Klassenwidersprüche!

Antwortbrief von Stefan Engel, Leiter der Redaktion Revolutionärer Weg an eine Genossin zur "Queer-Theorie"

Von RW-Redaktion

Stefan Engel, Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG

27.11.2025

Liebe Genossin,

vielen Dank für deinen Brief vom 2.10.2025 zur Verwendung des Begriffs »queer«. Du hältst meine Kritik daran, dass wir diesen bürgerlichen bzw. kleinbürgerlichen Begriff nicht verwenden sollten, für »überzogen«.

Zur Begründung schreibst du: »Der Begriff kursiert seit mindestens den 1980er-Jahren« und wird »von Betroffenen stolz zur positiven Selbstbestimmung verwendet.« Das trifft zu, weicht aber der Frage aus, welchen Klassencharakter dieser Begriff »queer« objektiv hat. Wir führen im RW 39 eine Polemik, dass die Begriffsbildung einen Klassencharakter hat und dazu dient, den bürgerlichen oder proletarischen Klassenstandpunkt zu prägen. Deshalb verwenden wir zum Beispiel auch nicht die Begriffe »Arbeitgeber« oder »Arbeitnehmer« bzw. kritisieren sie und sprechen von Kapitalisten und Arbeitern.

Der Begriff »queer« erlangte seit Anfang der 1990er-Jahre gesellschaftliche Relevanz, zusammen mit der »Queer-Theorie«. Die sogenannte »queere« Bewegung entwickelte sich von Anfang an unter dem Einfluss der »Queer-Theorie«. Wir haben diese postmodernistische Theorie im RW 37 zerpflückt und ihre schädliche Rolle nachgewiesen: »Die subjektivistisch-idealistische Selbstbeschäftigung mit der eigenen Identität soll davon ablenken, dass Menschen ihr Bewusstsein in der Realität der Klassengesellschaft bilden, sollten Kampf – statt gegen die Diktatur der Monopole und für eine sozialistische Alternative – in› ungefährliche‹ Bahnen kanalisieren.« (S. 227) Siehst du das anders? Es verkennt die kleinbürgerliche Beeinflussung, wenn du meinst, dieser weltanschauliche Einfluss gelte »längst nicht für alle, die sich als queer verstehen.«

In den Bewegungen für sexuelle Selbstbestimmung gibt es einen entfalteten Kampf um die Denkweise. Begeben sich Menschen, die wegen ihrer unterschiedlichen sexuellen Orientierung von den Herrschenden diskriminiert und verfolgt werden, unter dem Einfluss der »Queer-Theorie« und -Begrifflichkeit mit dem Fokus auf ihre sexuelle Identität in die Sackgasse des kleinbürgerlichen Individualismus? Oder kämpfen sie an der Seite der Arbeiterklasse und aller Ausgebeuteten und Unterdrückten, was wir Marxisten-Leninisten fördern? Die jahrhundertelange gesellschaftliche Ächtung von Menschen, die nicht heterosexuell sind, kann nur mit der revolutionären Überwindung des imperialistischen Weltsystems abgeschafft werden. Die unkritische Haltung zur »Queer-Begrifflichkeit« verwischt die Klassenwidersprüche und unterschätzt die notwendige Bewusstseinsbildung.

Du schreibst weiter: »Es gibt im Übrigen viele gesellschaftliche Minderheiten: … Indigene und eben auch Lesben, Schwule, Transmenschen.« Diese Gleichsetzung von sexueller Selbstbestimmung mit dem Kampf indigener Völker halte ich für an den Haaren herbeigezogen. Die Unterdrückung nicht heterosexueller Menschen betrifft auch Angehörige der herrschenden Klasse. Die Ausbeutung und Unterdrückung der indigenen Völker ist eine Herrschaftsmethode der Imperialisten, die besonders Bauern und Arbeiter unterjocht. Deshalb hat die indigene Bewegung auch einen klaren antiimperialistischen Charakter, während bei der »Queer«-Bewegung die Klassenwidersprüche »verschwinden« sollen.

Herzliche Grüße

Stefan